San Gimignano
Die hübsche, mittelalterliche Stadt San Gimignano ist eines der beliebtesten Touristenziele der Toskana und bezaubert seine Besucher mit einem charakteristischen Stadtbild, das durch die typischen Geschlechtertürme geprägt ist. Aufgrund der großen Anzahl dieser Türme, die in vielen toskanischen Städten nur noch als Stümpfe erhalten sind, ist der Ort auch als „Mittelalterliches Manhattan“ oder „Stadt der Türme“ bekannt und wurde 1990 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Wunderschön auf einem der herrlichen, sanften Hügel der Toskana gelegen bietet der Ort aber auch landschaftlich viele Reize und wunderschöne Ausblicke auf die Umgebung. Kommen Sie also mit in diesen zauberhaften Ort, in dem die Zeit stehen geblieben scheint.
Während die Gegend bereits um 200-300 v. Chr. von den Etruskern besiedelt gewesen sein soll, erreichte die Stadt ab dem 10. Jahrhundert ihre Blüte. Durch die Lage an der Via Francigena (Frankenstraße), der bedeutenden Handels- und Pilgerstraße vom Norden Europas nach Rom, war in dem Ort eine Marktstätte entstanden. Um 998 wurde schließlich eine erste Mauer um die Stadt gezogen. Deren Verlauf kann man heute noch an den drei erhaltenen Stadttoren Arco della Cancelleria, Porta Santo Stefano und Arco dei Becci ablesen. Da San Gimignano zum kirchlichen Verwaltungsbezirk Volterra gehörte und nie eigener Bischofssitz wurde, blieb ihr das Stadtrecht versagt. Trotzdem entwickelte sich die politische Situation in der Landkommune ähnlich wie in denen der großen Städte und ein Podestà mit zwei Räten löste 1199 die Herrschaft der Bischöfe ab. Zahlreiche Machtkämpfe mit den Bischöfen, aber auch den Nachbarorten fanden daraufhin statt. Selbst innerhalb der Stadtmauern fanden Familienfehden zwischen den Salvucci, die zu den Ghibellinen (Waiblingern) gehörten, und den Ardinghelli, die den Papstanhängern, also den Guelfen (Welfen) angehörten, statt. Diese Zeit gehörte aber auch wirtschaftlich gesehen zur Blütezeit von San Gimignano, dessen Wohlstand auf dem Anbau von Safran und dessen Handel beruhte. Auch andere wertvolle landwirtschaftliche Produkte der Region wurden hier gehandelt und bis hin ins arabische Ausland exportiert. Um den eigenen Wohlstand und seine Macht auszudrücken, begannen die reichen Familien in der Stadt, die in die Höhe ragenden Geschlechtertürme zu erbauen und versuchten sich so gegenseitig zu übertrumpfen.
Mit dem Niedergang der Via Francigena begann die Stadt schließlich zu verarmen und an Bedeutung zu verlieren. Durch die Kriegsverluste, Familienfehden und die Pest war die Stadt so stark geschwächt, dass sie sich 1352 unter den Schutz von Florenz begab. Das wir die Stadt heute fast so wie im Mittelalter antreffen, ist dem toskanischen Großherzog Cosimo I. de Medici zuzurechnen. Er veranlasste nämlich 1563, dass kein Geld in die Stadt investiert werden durfte und so blieb die Stadt, wie sie war.
Daher können wir bis in unsere Tage das pittoreske San Gimignano mit seinen heute einzigartigen Türmen und vielen herrlichen Sehenswürdigkeiten bewundern. Von den einst in der Blütezeit bestehenden 72 Türmen sind heute noch – je nach Lesart – 14 bzw. 16 erhalten geblieben. Der älteste der Türme ist dabei der sogenannte „Torre Rognosa“ (51 m) und der mit 54 Metern höchste ist der „Torre del Podestà“, auch als „Torre Grossa“ bekannt. Nach einem Erlass aus dem Jahre 1255 war es verboten, einen Turm höher als den „Torre Rognosa“ zu bauen und die beiden bedeutendsten Familien Ardinghelli und Salvucci errichten daher Türme in genau den erlaubten Maßen, um ihre Macht zu zeigen.
Wer einen Eindruck davon bekommen will, wie die Stadt im 13. Jahrhundert mit ihren 72 Türmen ausgesehen hat, sollte sich in das preisgekrönte Museum „SanGimignano 1300“ begeben. Auf insgesamt 800 m² wird hier anschaulich und interessant in 10 verschiedenen Ausstellungsbereichen aus der Geschichte von San Gimignano erzählt und auf die Bedeutung der Via Francigena eingegangen. Eine großartige Reproduktion zeigt die Stadt, wie sie im 13. Jahrhundert ausgesehen hat, im Maßstab 1:100. Handgefertigt und liebevoll gestaltet sind auch die detailgetreuen Skulpturen, die Interessierten das Stadt- und Landleben im Mittelalter näherbringen. Einen Einblick in die damalige Gesellschaft gewährt uns aber auch die dreidimensionale Nachbildung des berühmten Freskos von Memmo di Filipuccio, das er im „Palazzo del Podestà“ im 14. Jahrhundert realisierte. Aufgrund seines hohen pädagogischen Werts und unterhaltsamen Kulturangebotes wurde das Museum 2011 – wie der Ort schon zuvor – als „Weltkulturerbe“ der UNESCO ernannt.
Bei einem Stadtrundgang können Sie anschließend das mittelalterliche Stadtbild mit dem heutigen vergleichen und die Sehenswürdigkeiten im Original bewundern. Am besten starten Sie dafür im Zentrum der Stadt. Hier befindet sich der Piazza della Cisterna, der seinen Namen dem mittelalterlichen Brunnen (italienisch: cisterna) zu verdanken hat. Während der Piazza del Duomo das religiöse und politische Zentrum in der Stadt darstellt, diente der Piazza della Cisterna für Märkte, Feste und Turniere. Auf einer Seite des dreieckigen Platzes findet man den Palazzo dei Cortesi mit seinem charakteristischen Torre del Diavolo. Der Arco dei Becci mit dem Torre dei Becci befindet sich dagegen an der nach Süden weisenden Ecke des Platzes und ist ein Überbleibsel der ersten Stadtmauer aus dem 10. Jahrhundert.
Eines der beeindruckendsten Stadttore ist die Porta San Giovanni aus dem 13. Jahrhundert. Hier erreichten einst die Pilger und Händler, die die Via Francigena von Siena aus nutzen, die Stadt. Vor dem Tor befindet sich der Piazzale dei Martiri di Montemaggio, auf dem sich einst das Kloster des Heiligen Franziskus befand.
Zu den schönsten heute noch erhaltenen sakralen Bauwerken gehört die Collegiata Santa Maria Assunta, die im Volksmund oft auch Duomo genannt wird. Die 1148 erbaute Kirche gilt als eines der wertvollsten Beispiele der toskanischen Romanik und ist mit herrlichen Fresken von Benozzo Gozzoli, Domenico Ghirlandaio, Bartolo di Fredi und Taddeo di Bartolo sowie bemerkenswerten Skulpturen von Giuliano und Benedetto da Maiano geschmückt. Da die Stadt nie ein eigenständiges Kunstzentrum besaß, gestalteten Künstler aus Siena und Florenz die Paläste und Kirchen und gaben ihnen so florentinische, pisanische, sienesische und lucchesische Stilmerkmale. Wer sich für religiöse Kunst interessiert, kann auch dem „Museo d’Arte Sacra“ einen Besuch abstatten und dort zahlreiche Werke aus der Zeit vom Mittelalter bis zum 16. Jahrhundert bewundern.
Unter den zahlreichen herrlichen Palästen der Stadt treten die alten Machtzentren natürlich besonders hervor. So prägt der Palazzo del Popolo, auch Palazzo Comunale genannt, mit seinem Torre Grossa das Bild des Piazza del Duomo neben dem eigentlichen Dom entscheidend. Heute findet man hier auch das „Museo Civico“ mit seinen bedeutenden Kunstausstellungen. Der Torre Grossa ist übrigens der einzige der Türme, den man besichtigen und besteigen kann. Von hier hat man einen tollen Blick auf die hübsche Stadt und die malerische Umgebung. Ebenfalls am Piazza del Duomo finden Sie den Palazzo vecchio del Podestà mit seinem Torre Rognosa. Nachdem dieser seine Funktion als Sitz des Podestà an den Palazzo Comunale verloren hatte, diente er ab 1537 als Theater.
Einen wundervollen Ausblick auf die Stadt und Landschaft hat man auch von der alten Burgruine. Die Rocca di Montestaffoli war einst der Ausgangspunkt für die Stadtgründung. Hier organisierten die Bischöfe von Volterra Märkte, die der Stadt zu ihrem Aufschwung verhalfen. Während der Zeit der toskanischen Großherzöge verfiel die Burg allerdings und wurde erst im 19. Jahrhundert restauriert. Heute finden in dem malerischen Ort insbesondere im Sommer viele Veranstaltungen und Konzerte statt. Einige Installationen moderner Kunst haben der alten Burg ebenfalls wieder Leben eingehaucht.
Wer bei den wundervollen Ausblicken auf die landschaftlich äußerst reizvolle Umgebung Lust bekommen hat, diese etwas näher zu erkunden, sollte dies unbedingt tun. Bei erholsamen Wanderungen kann man die Naturschätze der „Riserva naturale Castelvecchio oder die interessanten Nekropolen, die bis auf die Etrusker zurückgehen, kennenlernen. Besonders schön ist auch ein Ausflug zu den mittelalterlichen Wascheinrichtungen im Tal der Elsa. Hier kann man wundervolle Aussichten auf die gesamte Stadt genießen und die Pracht der Türme erkennen. Ein perfekter Abschied von diesem kleinen, aber beeindruckenden Ort.