Livorno – Diese Sehenswürdigkeiten sollten Sie gesehen haben
Etwa zwanzig Kilometer von der bekanntesten toskanischen Stadt Pisa entfernt liegt die Hafenstadt Livorno am tyrrhenischen Meer. Für den Seeverkehr ist Livorno ein wichtiger Knotenpunkt, denn von hier aus verkehren Containerschiffe nach Genua und Rom sowie Fähren nach Sardinien und Sizilien ebenso wie nach Korsika, Elba und nach Nordafrika. Auch für einige Kreuzfahrtschiffe ist Livornos alter Hafen Porto Mediceo ein wichtiger Zwischenstop. Livorno entwickelte sich aus dem Portus Pisanus, dem alten, heruntergekommenen Hafen Pisas zu einem der größten und bedeutendsten Güterhäfen in ganz Italien. Da während des Zweiten Weltkrieges viele bedeutende Gebäude, Denkmäler und Festungen in Livorno bei Luftangriffen zerstört wurden, gilt die Stadt heute kulturhistorisch nicht als besonders interessant. Doch dieses zu Unrecht erworbene Image Livornos entspricht rein gar nicht dem reichhaltigen Kulturangebot und den zahlreichen Sehenswürdigkeiten und Kulturstätten, die einen Besuch des zweitgrößten Ortes der Toskana durchaus wert sind. Da sich die meisten Menschen, die es nach Livorno verschlägt, nur auf der Durchreise befinden, kann man als Tourist eine bunte, durch die zahlreichen Studenten junge und lebensfrohe sowie kulturhistorisch durchaus sehr interessante Stadt erleben, die auch in der Hochsaison keine Besucherströme verzeichnet.
Livorno – Ein Hafen von Toleranz und Gemeinschaftssinn
Livorno präsentiert sich als eine ungewöhnlich weltoffene Stadt, in der Toleranz einen großen Stellenwert besitzt und auf eine lange Geschichte zurückblickt. Ursprünglich war das Gebiet um Livorno nur ein unbedeutendes Sumpfgelände, das überwiegend von Sträflingen und anderen verbannten Menschen besiedelt wurde. Als die einflussreiche italienische Familie Medici anlässlich der Neugründung im Jahr 1606 ein Gesetz erließ, das den dortigen Bewohnern zusicherte, ungestört Handel treiben und Religionen frei ausüben zu dürfen sowie straffrei leben zu können, änderte sich die Gesellschaft des nahezu unbewohnten Gebietes um Livorno in wenigen Jahrzehnten und wurde eine multikulturelle und pulsierende Gemeinschaft aus Muslimen, orthodoxen Griechen, calvinistischen Holländern, Juden und sogar sesshaft gewordenen Piraten, deren Lebensgefühl und kulturelles Erbe in der Stadt noch heute spürbar sind. Livorno ist immer noch ein Schmelztiegel unterschiedlichster Kulturen, dessen Straßen von Menschen aus aller Welt belebt werden. Dem politischen Bestreben der Medici ist es zu verdanken, dass Livorno als eine Oase von Weltoffenheit und Toleranz in die Geschichte Italiens einging. Im Auftrag der Medici kreierte der Architekt Bernardo Buentalenti im 17. Jahrhundert eine prächtige neue Stadtanlage mit eindrucksvollen Bauwerken wie dem Dom, der Piazza und Via Grande und einer in fünfeckiger Form errichteten Stadtmauer. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde das Stadtviertel Venezia Nuova angelegt, das Livorno bis heute eine in Italien einzigartige Atmosphäre verleiht. Als kleines Venedig mitten in der Toskana erinnert Livorno mit seinen Kanälen, Gassen und kleinen Brücken tatsächlich an das Flair der Handelsstadt an der Adria.
Venezia Nuova – Das neue Venedig in der Toskana
Obwohl viele der ehemals prächtigen Paläste im Viertel des kleinen Venedigs im Zweiten Weltkrieg schweren Schaden genommen haben, ist die Grandezza der Bauwerke noch heute gut zu erkennen. Die meisten der Häuser wurden im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert erbaut, um der wachsenden Bevölkerung den Handel zu erleichtern. Das Netzwerk an kleinen Kanälen und Gassen wurde übersichtlich angelegt, um die Waren schnell und effizient zum Hafen transportieren zu können. Im Erdgeschoss der prächtigen Bauten entlang der Kanäle waren die großen Lagerhallen untergebracht, in den oberen Stockwerken die Wohnungen der Händler. Das ganze Viertel „Neuvenedig“ mit der Kuppel der achteckigen Kirche Santa Caterina im Zentrum versprüht einen einzigartigen Charme, der einen Spaziergang durch die Gassen zu einem Erlebnis macht. Vor allem die eleganten Bauten in der Via Borra, der wahrscheinlich schönsten Straße Livornos, erinnern an die Blütezeit der wichtigsten Hafenstadt der Toskana. Die zahlreichen kleinen Brücken, die über den Kanälen liegen, verleihen dem Viertel ein romantisches Flair, das in den Sommermonaten die Einwohner der Stadt in die zahlreichen Kneipen an den Gassen zieht. Wer toskanisches Lebensgefühl erleben will, sollte unbedingt einen Abend in Venezia Nuova im Sonnenuntergang erleben. Organisierte Bootstouren ermöglichen Besuchern tagsüber, auf den Kanälen entlangzufahren und anschließend die alte Festung zu besichtigen.
Mächtige Befestigungsanlagen
Die gut erhaltene, im Jahr 1600 fertiggestellte Befestigungsanlage Fortezza Nuova beherbergt heute die einzige Parkanlage im Zentrum des historischen Livorno und eine Reihe von Museen. Die Fortezza Vecchia am alten Hafen beeindruckt vor allem durch einen zylinderförmigen, aus dem 11. Jahrhundert stammenden Turm, der über das Hafenbecken ragt. Der Mastio di Matilde, wie der Turm genannt wird, wurde unter der Regentschaft der Markgräfin Mathilde von Tuszien auf Relikten eines Bauwerks aus dem römischen Reich erbaut. Im 14. Jahrhundert wurde der Wachturm um eine Bastion, die Quadratura dei Pisani erweitert und im 16. Jahrhundert von einem Ziegelbau umschlossen. Der mächtige Gebäudekomplex wurde im Jahr 1943 bei Luftangriffen stark beschädigt und ist seither Gegenstand unermüdlicher Renovierungsarbeiten. Heute beherbergt die Fortezza Vecchia ebenfalls Räumlichkeiten für Ausstellungen und kulturelle Veranstaltungen.
I Quattro Mori – Das symbolträchtige Wahrzeichen der Stadt
Das an der Meeresseite der Via Grande gelegene prächtige Denkmal I Quattro Mori überblickt den alten Hafen der Medici-Zeit und kann durch sein imposantes Aussehen kaum übersehen werden. Das geschichtsträchtige Symbol der Hafenstadt wurde in zwei Phasen kreiert. Die eigentliche, aus Marmor gearbeitete Statue stellt den großen und einflussreichen, für die Geschichte der Stadt bedeutenden Medici-Herzog Fernando I. dar, dessen Sohn Cosimo II. das Denkmal in Auftrag gab, um seinen Vater posthum zu ehren. Der Bildhauer Giovanni Bandini stellte das Werk im Jahr 1617, neun Jahre nach dem Tode Fernandos I. fertig. Die vier aus Bronze gegossenen Figuren an den Ecken des Sockels, die schwarze Galeerensklaven in Ketten darstellen, wurden zwischen 1623 und 1626 angebracht und sind das Werk des berühmten, aus Carrara stammenden Bildhauers Pietro Tacca. Für die Figuren standen dem Künstler zwei Sklaven mehrere Monate lang Modell, die dafür mit ihrer Freiheit belohnt wurden. Der jüngere der beiden Männer ließ sich kurze Zeit später in Florenz nieder. Der Legende nach soll er mit seiner Familie regelmäßig nach Livorno gekommen sein, damit seine Kinder sein bronzenes Abbild bewundern konnten. Das eindrucksvolle Denkmal soll die wiederholten Siege der Toskaner im Kampf gegen die Piraten symbolisieren.
Die Kirchen Livornos – Erinnerungen an die kulturelle Vielfalt
Durch die Weltoffenheit der toskanischen Hafenstadt ließen sich Menschen aus allen Ecken Europas in Livorno nieder. Der Reichtum an unterschiedlichen Kulturen und Religionen brachte auch die Errichtung vieler Kirchen mit sich.
Auf der Piazza Grande, dem Mittelpunkt der Hafenstadt, steht der Dom von Livorno, der von dem Architekten Alessandro Pieroni entworfen wurde. Das Bauwerk wurde im Jahr 1606 fertiggestellt und ist dem Heiligen Franz von Assisi gewidmet. Der originale Dom wurde im Jahr 1943 durch einen Bombenangriff komplett zerstört. An seiner Stelle steht eine Rekonstruktion aus dem Jahr 1952, die exakt nach den Vorgaben der alten Pläne erbaut wurde.
Die Chiesa degli Olandesi ist ein seltenes Beispiel für den neugotischen Stil in Livorno und wurde zwischen 1862 und 1864 für die niederländische Gemeinde in Livorno errichtet. Die Church of St. Andrew erinnert an die vielen aus Schottland stammenden Menschen, die sich im 19. Jahrhundert in Livorno ansiedelten. Der Bau wurde von der römisch-katholischen Kirche nur unter der Bedingung genehmigt, nicht wie eine Kirche im herkömmlichen Sinn konzipiert zu werden. Dies erklärt das etwas ungewöhnliche Aussehen des Gebäudes, das vom schottischen Architekten Rumball im neugotischen Stil entworfen wurde. Aus der selben Zeit stammt auch die anglikanische Kirche in Livorno, die Church of St. George, die im neoklassizistischem Stil errichtet wurde und heute als Glaubensstätte der rumänischen Bevölkerung Livornos dient.
Die jüdischen Denkmäler der Stadt
Durch die politische Führung der Medici blickt Livorno auch auf eine stark vom Judentum geprägte Geschichte zurück. Während Juden in vielen Teilen Europas verfolgt wurden, fanden sie in Livorno einen sicheren Hafen, wo sie ihre Kultur und Religion ohne Einschränkungen leben und praktizieren konnten, ohne in einem Ghetto leben zu müssen. Großherzog Fernando ist es zu verdanken, dass sich viele Juden in Livorno niederließen und folglich auch das Stadtbild maßgeblich prägten. Die zahlreichen jüdischen Denkmäler und Gebäude bieten einen interessanten Einblick in die kulturelle Geschichte Livornos. Die im 17. Jahrhundert errichtete Synagoge wurde wie viele andere bedeutende Bauwerke im Zweiten Weltkrieg zerstört. In den Fünfzigerjahren wurde sie durch die moderne Synagoge auf der Piazza Benamozegh ersetzt, die der Architekt Angel di Castro entworfen hatte. Teile des originalen Interieurs aus dem 17. Jahrhundert können im Yeshiva Marini Museum in der Via Micali besichtigt werden. Besonders stimmungsvoll ist der jüdische Friedhof Livornos in der Viale Ippolito Nievo, der im Jahr 1840 angelegt wurde.
Die Piazza Grande
Als einer der ehemals größten und eindrucksvollsten Plätze Europas ist die Piazza Grande heute durch den riesigen, aus weißem Stein erbauten Palazzo Grande in zwei Plätze unterteilt. Die Piazza Grande ist Livornos Knotenpunkt für die öffentlichen Verkehrsmittel und reicht vom Dom auf der südlichen Seite bis zum einzigen, aus dem 17. Jahrhundert stammenden Haus des Platzes, das die Luftangriffe überlebt hat, auf der Nordseite. Von der Piazza Grande aus gelangt man mit Bussen in jede Ecke der Stadt. In einem der zahlreichen gemütlichen Straßencafés kann man wunderbar das geschäftige Treiben der Einwohner Livornos beobachten.
Museo Fattori in der Villa Mimbelli
Die Villa Mimbelli beherbergt die einzige öffentlich zugängliche Kunstgalerie und gleichzeitig die bedeutendste Kunstsammlung von Livorno. Vor allem Fans des Impressionismus kommen im Museo Civico Giovanni Fattori voll auf ihre Kosten, denn das Museum besitzt eindrucksvolle Werke der toskanischen Vertreter dieser Kunstrichtung, der sogenannten Macchiaioli-Schule. Sehenswert sind Gemälde bedeutender Künstler wie Fattori selbst sowie Gugliemo Micheli, Ulvi Liegi, Renato Natali oder Cesare Bartolena. Viele Werke von jüdischen Künstlern, die in Livorno lebten und arbeiteten, sind hier ausgestellt. Doch nicht nur wegen der Gemälde sollte die Villa Mimbelli besucht werden. Die Räume des im 19. Jahrhundert errichteten Gebäudes sind mit prachtvollen Freskos von Annibale Gatti dekoriert und auf drei Etagen durch eine aufwendig gestaltete Treppe miteinander verbunden.
Die Parkanlagen rund um die Villa sind ein beliebter Freizeitort für die Bewohner der Stadt und gewähren an heißen Sommertagen Ruhe und Schatten inmitten des Trubels von Livorno. Durch einen großen für Kinder eingerichteten Spielbereich im Park trifft man hier vor allem auf junge Familien.
Das bunte Treiben auf den Märkten der ehemaligen Handelsstadt
Einen Einblick in den typisch italienischen Alltag bietet ein Bummel über den Mercato Centrale, der in einer aus Schmiedeeisen und Glas erbauten Markthalle im Zentrum von Livorno untergebracht ist. Das Gebäude wurde in den letzten Jahren aufwendig restauriert und zeigt sich nun von seiner prachtvollsten Seite. Nicht nur die zahlreichen Gemüse- und Obststände machen Appetit auf die toskanische Küche, auch der angeschlossene Fischmarkt des Mercato Centrale ist für seine Vielfalt und seine hohe Qualität bekannt.
Der Mercatino Americano ist heute ein Flohmarkt, auf dem neben Krimskrams und getragener Kleidung auch die eine oder andere günstige Antiquität erstanden werden kann. Den Namen erhielt der beliebteste Trödelmarkt Livornos von den amerikanischen Soldaten, die in den Sechzigerjahren an diesem Platz am Schwarzmarkt Zigaretten und andere begehrte Produkte aus den USA verkauften. Der im neoklassizistischen Stil gehaltene Mercato delle Vettovaglie, der „Proviantmarkt“ begeistert vor allem durch sein imposantes Stahldach mit barocken Säulenelementen.
Meeresvielfalt im Aquario di Livorno
Im größten Aquarium der Toskana erwarten die Besucher in insgesamt 32 Becken auf zwei Stockwerken über dreihundert verschieden Arten von Meerestieren. Seltene grüne Schildkröten können hier ebenso bewundert werden wie Schwarzspitzenhaie und Napoleonfische. Das direkt an der Seepromenade gelegene Institut bietet mit speziellen Führungen für Kinder durch pädagogisch geschultes Personal und das originelle Restaurant Surfer Joe’s Diner Spaß und Unterhaltung für die ganze Familie. Von der Dachterrasse des Gebäudes aus kann man sogar die Inseln Elba und Korsika sichten.
Das Umland Livornos – Eine atemberaubende Küstenlandschaft
Einen eindrucksvollen Blick über die Küste gewährt auch das auf einem Hügel außerhalb der Stadt gelegene Santuario di Montenero, eine Klosteranlage des Vallombrosaner-Ordens, die im 18. Jahrhundert erbaut wurde. Wegen eines berühmten Madonnenbildes ist das Kloster bereits seit über sieben Jahrhunderten eine der bedeutendsten Pilgerstätten in der Toskana und sollte auch wegen seiner umfangreichen Sammlung von Votivbildern besucht werden.
Neben all den sehenswerten Kulturdenkmälern der Hafenstadt verfügt Livorno auch über eine wunderschöne Standpromenade, die über neun Kilometer lang an idyllischen Klippen und Badeanstalten vorbeiführt und bis zur antiken Siedlung von Antignano reicht. Besonders der Abschnitt Viale Italia begeistert durch die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Villen und die in den Zwanzigerjahren erbaute Terrazza Mascagni, von der Besucher einen atemberaubenden Blick über das Meer bis zu den Inseln des toskanischen Archipels genießen können.